Herkunft und exakte Fragestellung
Danke liebe Heike für die Frage. Heike hat erzählt, dass ihr Sohn sich hauptsächlich von Obst, Gemüse und Milchprodukten ernährt. Gelegentlich kommen auch Kohlenhydrate und selten mal Fleisch dazu. Darum widme ich heute der Frage, ob es ausreichend ist, wenn Kinder eine Zeit lange nur bestimmte Lebensmittelgruppen essen. Vor kurzem hatte ich das Thema beleuchtet, was man tun kann, wenn die Kinder nicht essen. Das heutige Thema gehört ebenfalls zu diesem Bereich. Also, falls du den Artikel „Was tun, wenn mein Kind nicht isst!“ noch nicht kennst, empfehle ich dir, ihn ergänzend auch zu lesen.
Heute geht’s darum zu schauen, ob ein Kind mit einseitigen Essgewohnheiten seinen Nährstoffbedarf trotzdem decken kann.
Studienergebnisse und Hintergrund zu wählerischen Essern
Wählerische Esser kommen im Kleinkindalter recht häufig vor. Studien zeigen, dass 40 Prozent aller Kinder zumindest eine wählerische Phase durchlaufen. Je älter sie werden, desto weniger oft kommt es vor. Das wählerische Essverhalten verschwindet oft von alleine wieder und ein normales Essverhalten stellt sich ein. Eltern können in den meisten Fällen auch beruhigt sein, „auch wählerische Kinder wachsen und entwickeln sich normal.“ Dies zeigt eine amerikanische Studie, in der das Essverhalten von wählerischen Essern mit dem von nicht wählerischen Essern verglichen wurde. Bei wählerischen Essern kamen weniger oft Obst und Gemüse auf den Tisch, dafür kamen aufgrund ihrer Neophopie (lauter der Fachbegriff in diesem Zusammenhang der die Angst vor Neuem beschreibt, was oft der Hintergrund von wählerischen Essern ist) auch weniger oft Fettiges und Süßes auf den Tisch. Das ungesündere und das gesündere Essverhalten der wählerischen Esser gleicht sich also aus. Kinder stehen in den ersten Lebensjahren vor der Herausforderung viel Neues zu lernen. Es entspannt sie und sie sind froh, wenn sie Vertrautes auf dem Teller haben. Es geht hier also weniger um einen Machtkampf mit den Eltern, sondern die neuen Speisen schmecken ihnen einfach nicht. Sie verweigern die Abwechslung.
Allgemeine Empfehlung
Wenn das Gefühl vorhanden ist, dass das eigene Kind ein wählerischer Esser ist, gibt es folgende Empfehlung. Es sollte darauf Acht gegeben werden, dass das Kind von jeder Lebensmittelgruppe zumindest ein Lebensmittel isst.
- Eine Sorte Milch oder ein Milchprodukt (allerdings ein Naturprodukt, Zuckerjoghurt wie Fruchtzwerge, Joghurella, gesüßte Molken, Milchschnitte zählen zu Süßigkeiten 😉, Käse zählt auch dazu)
- Eine Fleischart oder magerer Schinken
- Eine Sorte Obst oder zur Not Obstsaft
- Eine Sorte Gemüse oder Gemüsesaft
- Ein Vollkorn-Getreideprodukt wie zb. Nudeln, Brot, Gebäck, Reis, Haferflocken
Die Frage ob eine Kombination nur weniger Lebensmittelgruppen ausreichend ist, ist auch immer eine Frage des Zeitraums. Wie bereits oben erwähnt macht es in den meisten Fällen nichts aus, sofern der Zeitraum bzw. diese Phase begrenzt ist. Falls die Phase schon sehr lange andauert, würde ich auf jeden Fall empfehlen, mit der Kinderärztin oder dem Kinderarzt oder einer Diätologin zu sprechen
Kurzer Exkurs „Kritische Nährstoffe“:
Die kritischen Nährstoffe bei Kindern sind meist Eisen, Jod, Vitamin D, Calcium und Omega-3-Fettsäuren. Eisen ist für die Bildung von roten Blutkörperchen notwendig, die den Sauerstoff transportieren.
Ohne Eisen können Körper und Gehirn nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden, beeinträchtigt Entwicklung und Leistungsfähigkeit. Gute Eisenlieferanten sind Fleisch, Vollkornprodukte und Gemüse.
Jod ist ein essentielles Spurenelement und ist als solches an einer Vielzahl von Stoffwechselvorgängen beteiligt. Kinder bekommen Jod vor allem über Milch, aber auch Seefisch, jodiertes Speisesalz und Eier.
Vitamin D hat sehr viele schützende Funktionen und ist auch gemeinsam mit Calcium an der Bildung von Zähnen und Knochen beteiligt. Vitamin D ist das einzige Vitamin, dass unsere Körper selbst synthetisieren kann mit Hilfe von Sonnenlicht auf der Haut. In kleinen Mengen wird es auch über die Nahrung aufgenommen.
Omega-3 Fettsäuren sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die lebensnotwendig für uns sind. Für Kinder ist es zur Gehirnentwicklung, für das Sehvermögen und das Nervensystem wichtig. Sie kommen in manchen kaltgepressten, pflanzlichen Ölen (Leinöl, Rapsöl) vor, in fettem Meeresfisch (Lachs) und in manchen Nüssen und Samen.
Calcium: grundsätzlich trinken Kinder gerne Milch oder essen Milchprodukte, somit ist ein Mangel an Calcium selten. Falls das Kind aber keine Milchprodukte konsumiert kann die Versorgung auch kritisch sein. Benötigt wird es für die gesunde Entwicklung von Knochen und Zähnen. Enthalten ist es neben Milch und Milchprodukten auch in manchen Gemüsesorten (zb. Brokkoli), Getreideprodukte und Mineralwasser.
Heikes Fragestellung: Milchprodukte, Obst und Gemüse, manchmal Fleisch oder Kohlenhydrate
Wenn das Kind diese Kombination isst, bekommt es genügend Calcium, Vitamine und Mineralstoffe aus Obst und Gemüse. Eine Lebensmittelgruppe die überwiegend fehlt sind Kohlenhydrate. Sie sind der wichtigste Energielieferant für unseren Körper und sollten demnach schon täglich auf dem Speiseplan stehen. Natürlich enthalten auch Obst und Gemüse Kohlenhydrate, aber der Anteil ist viel geringer als in Getreidesorten (eine kohlenhydratreiche Banane enthält 20g / 100 g – Haferflocken enthalten 59g / 100 g.) Komplexe Kohlenhydrate (überwiegend in VK) sorgen auch für einen konstanten Blutzuckerspiegel und somit für ein lange Sättigung. Ein Kind, dass nur Obst und Gemüse isst, wird vermutlich öfters am Tag essen und rasch wieder Hunger haben. Über einen längeren Zeitraum könnte die Eisenversorgung hier leiden. Im Zweifelsfall einfach mal einen Status testen lassen (Serum-Ferritin!) beim Kinderarzt / bei der Kinderärztin.
Eine Möglichkeit diese Vorlieben noch aufzuwerten wäre beispielsweise, Joghurt und Früchte zu mischen und 1 EL Haferflocken hinzuzufügen, und noch 1 TL Leinöl (für Omega-3-Fettsäuren unterzumischen. Komplexe Kohlenhydrate, Eisen, und Omega-3 kommt so ganz einfach noch hinzu.
Nur Getreide (nur Nudeln, nur Reis, nur Brot)
Auch diese Form kommt oft in der wählerischen Phase vor.
Dass eine gesunde Ernährung ohne Obst und Gemüse kaum möglich ist, betone ich ohnehin oft. Meist handelt es aber auch hier nur um eine vorübergehende Phase. Wir haben nämlich einen Verhaltensmechanismus eingebaut, der uns vor einer einseitigen Ernährung bewahrt (sensorisch-spezifische Sättigung!). Irgendwann kann man selbst das Lieblingsgericht nicht mehr auf dem Teller sehen.
Manchmal braucht es mehrere Versuche, bis die Kinder dann doch neugierig werden und zugreifen.
In diesem Fall, wenn das Kind zb. hartnäckig nur Nudeln ist, kann folgender Versuch wertvoll sein:
Falls weiße Nudeln gegessen werden: die Nudeln vorsichtig (nur langsam den Anteil steigern) mit hellen Vollkornnudeln mischen (hell deswegen, weil das zu Beginn nicht gleich so auffällt). Die heißen Nudeln können mit einem 1 TL Leinöl oder Rapsöl vor dem Servieren vermischt werden = Omega 3). Für den Rest der Familie können Gemüsesticks zum Gericht angeboten werden, die man auf einem Teller schön angerichtet in der Mitte des Tisches platziert (eine Schüssel mit geriebenem Käse dazu geht auch noch).
Mere-Exposure-Effekt: Menschen essen nicht das, was sie mögen, sondern umgekehrt: Wir Menschen mögen das, was wir regelmäßig essen.
Dass es diese Phasen gibt soll allerdings keine Motivation sein, dass man als Eltern aufgibt. Natürlich ist es auf die Dauer zu einseitig, wenn die Kinder einige Lebensmittelgruppen einfach streichen. Es soll nur darstellen, dass man bei einer vorübergehenden Phase keine Panik zu bekommen braucht. Da wir aber nicht essen, was wir mögen, sondern das mögen, was wir regelmäßig essen, ist es schon wichtig, auch unbeliebte Speisen regelmäßig anzubieten. Das Kind soll Kosten, muss es aber nicht essen, wenn es nicht schmeckt. Manchmal braucht es bis zu 18 Versuche, bis die Kinder sich an einen neuen Geschmack gewöhnt hat. Also nicht zu früh aufgeben.
Weitere Ansätze, um die Kinder an der Ernährung zu beteiligen und ihnen so mehr Lust zum Ausprobieren zu machen findet ihr in meinem Artikel „Good Food und Good Vibes am Familientisch!“ im wunderbaren Jubelmomentsmagazin unter folgenden Link auch online abrufbar:
Zusammengefasst:
Also, diese wählerische Phase machen viele Kleinkinder (und somit auch die Eltern) durch, das ist normal. Meistens ist sie aber nur vorübergehend und die Kinder ernähren sich weder gesünder noch ungesünder als nicht-wählerische Esser. Trotzdem ist dies aber kein Freibrief, dass man die unbeliebten Lebensmittelgruppen oder Speisen nicht mehr anbieten soll. Durch das regelmäßige Anbieten (probieren sollte aber natürlich ohne Zwang ablaufen) kann sich das Kind an den neuen Geschmack gewöhnen. Mit ein paar kleinen Tricks (wie oben gezeigt) kann man die Speisen auch durchaus aufwerten.
Weil Gesundheit wertvoll ist.
Eure Vera
Quellen:
Alexy U. & Hilbig A. (2014). "Die beste Ernährung fürs Baby und Kleinkind. München: Kösel Verlag
Eugster G. (2012). "Kinderernährung gesund und richtig". München: Elsevier GmbH
Wilcock F. (2015). "Babynahrung selbst gemacht!" Münschen: Dorling Kindersley Verlag GmbH
Diener M.B. (2004). "Kinderernährung gesund und praktisch" Zürich: Axel Springer Schweiz AG